Wenn Zuhören verletzt - Kommunikationssperren, die Verbindung verhindern
Hast Du das schon erlebt? Du öffnest Dich jemandem. Erzählst von einem schwierigen Erlebnis, suchst Nähe, Verständnis, vielleicht auch nur einen Moment echten Zuhörens. Doch statt Erleichterung fühlst Du Dich danach einsamer als zuvor. Die Reaktion war wohlgemeint – aber irgendetwas hat nicht gepasst. Plötzlich warst Du nicht mehr bei Dir, sondern beim anderen. In seiner Meinung. In seinen Tipps. In seiner Geschichte.

Willkommen in der Welt der Kommunikationssperren.
Das sind typische Stolpersteine in Gesprächen, die eigentlich Verbindung beabsichtigen – aber oft das Gegenteil bewirken. Sie unterbrechen den Fluss echter Einfühlung. Und führen dazu, dass sich Menschen zurückziehen, innerlich zumachen oder noch mehr ausser sich geraten.
Kommunikationssperren – was ist das überhaupt?
Kommunikationssperren sind gut gemeinte Reaktionen, die beim Zuhören trennen statt verbinden. Sie entstehen oft reflexartig – aus dem Wunsch, zu helfen, zu trösten, zu beruhigen oder zu erklären. Doch statt Verbindung, erzeugen sie Trennung und lassen das Gegenüber mit seinen Gefühlen oft alleine zurück.
Lass uns gemeinsam ein Beispiel aus dem Berufsalltag anschauen:
Sophie steht in der Teeküche und sagt zu einem Kollegen:
«Mein Chef lässt mich einfach nicht ausreden. Immer wenn ich etwas sagen will, fällt er mir ins Wort. Ich fühle mich einfach klein gemacht.»
Wie könnte der Kollege darauf reagieren?
Sympathisieren:
«Ja, der ist echt unmöglich. Der macht das bei allen so.» → Klingt unterstützend – bringt aber keine Linderung. Im Gegenteil, das vergrössert Sophies Feindbild vom Chef und damit auch das Problem.
Ratschläge geben:
«Du musst lernen, Dich durchzusetzen. Oder lies mal das Buch über gewaltfreie Kommunikation – das hilft sicher!» → Gut gemeint – aber nicht hilfreich. Und oft wirkt es wie: Du bist selbst schuld.
Korrigieren:
«Ich glaube nicht, dass er Dich klein macht – er ist einfach sehr direkt.» → Jetzt geht es nicht mehr um Sophie, sondern um die Sicht des Kollegen. Zudem wird Sophies Erleben abgesprochen.
Trösten:
«Du hast bestimmt Dein Bestes gegeben. Es liegt nicht an Dir.» → Klingt nett – aber lässt Sophie mit ihrer Unsicherheit und dem Bedürfnis nach Gehört werden allein zurück.
Empathie für Abwesende:
«Du musst Deinen Chef auch verstehen. Die Sitzungszeit ist so knapp – er versucht halt, alles unterzubringen. Wahrscheinlich steht er selbst unter Druck.» → Klingt, als würde der Kollege Partei für jemanden ergreifen, der gar nicht anwesend ist. Doch was ist mit Sophie? Ihre Aussage geht dabei verloren – und sie bleibt mit ihrem Erleben allein zurück.
Fühlst Du Dich nach solchen Reaktionen auch frustriert – vielleicht sogar einsam, weil Du Dir wünschst, mit dem, was Dich bewegt, wirklich gehört und ernst genommen zu werden?

Empathie bedeutet: präsent beim Gegenüber bleiben.
Raum geben. Nicht übernehmen. Nicht lenken. Nicht reparieren.
Warum tun wir das trotzdem? Weil wir es oft nicht besser gelernt haben.
- Wir wollen helfen.
- Wir fühlen uns überfordert mit dem Schmerz des anderen.
- Wir suchen Sicherheit in Argumenten, Analysen, eigenen Erfahrungen.
Was könntest Du stattdessen sagen? Wenn Du merkst, dass jemand etwas mit Dir teilt, das schwer auf ihm oder ihr lastet, versuch mal Folgendes:
- Still zuhören.
Lass Pausen zu. Vertraue, dass der andere seine Gefühle selbst finden kann.
- Einfühlsam erahnen, wie es dem anderen geht.
«Das klingt so, als seist Du frustriert, weil Du mit Deinen Inputs gesehen und gehört werden möchtest? Oder wünschst Du Dir Respekt und Raum für alle in den Meetings?»
- Fragen stellen.
«Was macht das mit Dir, wenn er Dich unterbricht?» «Was brauchst Du, wenn Du daran denkst?» Du musst nichts lösen. Du gehst mit dem, was ist.
Verbindung statt Rezept
Empathie ist mehr als eine Technik – sie ist eine innere Haltung. Sie beginnt in Dir, wenn Du bereit bist, wirklich für das Gegenüber präsent zu sein – ohne den Impuls, sofort etwas zu lösen oder den anderen „retten“ zu müssen.
In unserem letzten Blogartikel haben wir über die fünf Zutaten für empathisches Zuhören gesprochen. Wenn Du noch tiefer einsteigen möchtest, findest Du dort Impulse und praktische Anregungen.
Wir alle stolpern ab und zu über die Stolpersteine der Kommunikationssperren. Doch sobald wir sie erkennen, können wir etwas verändern. Und manchmal beginnt echte Verbindung auch mit dem Mut, einfach da zu bleiben und wirklich zuzuhören. Jenseits von der vertrauten Lösungssuche.
Möchtest Du tiefer in die Kunst des Zuhörens eintauchen? In unseren Seminaren lernst Du, wie Du mit der Gewaltfreien Kommunikation empathisch präsent bleibst – auch in schwierigen Gesprächen. Mehr Infos unter: www.tcco.ch.Oder lies eines unserer Bücher:
- «Beziehungskompetenz im Beruf» von Vera Heim und Gabriele Lindemann.
- «Erfolgsfaktor Menschlichkeit» von Gabriele Lindemann und Vera Heim
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