Juni 2025

Die fünf Schlüsselfaktoren der Empathie

Vielleicht kennst Du das: Du hörst zu, nickst, stellst Fragen – und bist innerlich schon ganz woanders. Oder Du lauschst nur so lange, bis Dein Gegenargument bereit ist. Es gibt viele Arten zuzuhören, ohne wirklich da zu sein. Wir warten auf unseren Einsatz, statt wirklich zu verstehen. Wir vergleichen, analysieren, reparieren – oder hören einfach nur zu, weil es sich so gehört. Doch echtes Zuhören ist ein Geschenk! Empathie signalisiert dem Gegenüber: Ich bin bei Dir. Ich nehme Dich wahr – ohne Urteil, ohne vorschnelle Lösung. Empathie ist kein Luxus für Wohlfühlmomente – sie ist eine Kernkompetenz für echte Verbindung, überall dort, wo Menschen miteinander zu tun haben, – beruflich wie privat.

5 Schlüsselfaktoren die Deine empathischen Fähigkeiten boosten.

Aber wie gelingt es, diese empathische Haltung zu entwickeln und lebendig zu halten – gerade dann, wenn es herausfordernd wird? 

Hier findest Du fünf Schlüsselfaktoren, die Dir helfen, Empathie nicht nur zu verstehen, sondern im Alltag konkret umzusetzen. 

  1. Neugierde
  2. Absichtslose Präsenz
  3. Trennen von Ich und Du 
  4. Offenheit, Emotionen zu begegnen
  5. Bedürfnisse hinter Gesagtem zu hören. 

Stell Dir diese fünf Zutaten wie die Finger einer Hand vor – gemeinsam bilden sie eine kraftvolle Basis für echte Verbindung. Die Handfläche steht dabei für das Herz: Sie verbindet all diese Fähigkeiten miteinander und macht wahre Empathie erst möglich. 

1. Neugier – echtes Interesse statt Annahmen 

Empathie beginnt mit Neugier. Stell Dir vor, Du weisst nichts über Dein Gegenüber – und genau das willst Du erfahren. Was bewegt diesen Menschen? Was fühlt er, was braucht sie? Wenn Du wirklich interessiert bist, stellst Du Fragen – nicht um zu bewerten, sondern um zu verstehen. Lass die andere Person erzählen. Du musst nicht sofort etwas lösen. Es reicht, da zu sein – offen, präsent und fragend. 

2. Absichtslose Präsenz 

Wenn Du ganz da bist – ohne etwas erreichen oder verändern zu wollen – schenkst Du dem anderen Raum, sein Erleben selber zu erforschen. Du bist leer im besten Sinne: keine inneren Kommentare, keine Tipps, keine schnellen Lösungen. Du hörst einfach zu. Mit offenem Herzen, ruhigem Atem und wacher Aufmerksamkeit. Das klingt leichter, als es manchmal ist. Besonders im Alltag. 

Wenn Du merkst, dass Deine Gedanken abschweifen oder Du emotional selbst zu sehr involviert bist, dann steh dazu. Sag zum Beispiel: «Ich merke gerade, dass ich Dir nicht so zuhören kann, wie ich es gern würde.» Das schafft Klarheit – und manchmal ist eine Pause oder ein späteres Gespräch einfach passender.  

Empathie bedeutet absichtslose Präsenz

3. Trennen vom Ich und Du 

Einfühlung bedeutet nicht, dass Du Dich in den Gefühlen des anderen verlierst. Es bedeutet, dass Du unterscheiden kannst: Was ist gerade meins? Und was gehört zum anderen? Diese Fähigkeit hält Dich klar und handlungsfähig. Du kannst beim Du bleiben, wenn es dran ist – oder bewusst Deine eigene Perspektive einbringen, wenn Du vielleicht nicht mehr zuhören kannst. 

Marshall Rosenberg verglich Empathie mit Surfen: Du gleitest auf der Welle des anderen – Du fühlst Dich ein, ohne Dich dabei zu verlieren oder mitzuleiden. Und wenn Du vom Brett fällst? Nicht schlimm. Erkenne es, atme durch und entscheide neu: Bleibst Du präsent oder brauchst Du selber Einfühlung? 

4. Offenheit, Emotionen zu begegnen 

Obwohl sich Gefühle im Arbeitsalltag wie ein Elefant im Raum manifestieren können - gross und präsent, würden wir sie manchmal lieber ignorieren. Dabei sehnen sie sich genau danach: wahrgenommen und verstanden zu werden. 

Wenn jemand Schmerz, Angst oder Wut zeigt, spürst Du vielleicht den Impuls, den Blick abzuwenden. Oder Du fühlst Dich plötzlich verantwortlich. Doch echte Empathie heisst: Du bleibst präsent. Hörst zu – mutig, mit offenem Herzen, ohne Schuldgefühle oder Ablenkungsmanöver. 

Gefühle sind wie Kinder – wenn sie gehört werden, beruhigen sie sich meist schnell. Wenn Du innerlich mitgehst und vielleicht still benennst, was Du wahrnimmst («Da ist Trauer … Wut … Unsicherheit»), beruhigt sich nicht nur das Gegenüber, sondern auch Dein eigenes Nervensystem. In der Wissenschaft nennt man das: Name it to tame it – benenne es, um es zu zähmen. 

5. Hinter den Worten das Bedürfnis hören 

Manchmal klingt das, was Menschen sagen, schroff oder anklagend – und meint in Wahrheit etwas ganz anderes. Wenn zum Beispiel jemand im Team sagt: «Na, schön, dass du auch mal wieder auftauchst», steckt hinter der Kritik, immer ein unerfülltes Bedürfnis. Vielleicht meint die Person eigentlich: «Ich bin gerade unter Druck und brauche Unterstützung. Ich würde gerne mit Dir ein paar Punkte besprechen.»

Wenn Du nur auf die Worte reagierst, kann es schnell ungemütlich werden. Aber wenn Du versuchst, die Bedürfnisse dahinter zu hören, trägt das zu Verbindung bei – selbst in Konflikten. Stell Dir vor, Du hättest eine Art «Empathie-Übersetzer» im Ohr: Du hörst nicht nur was jemand sagt, wonach er oder sie sich sehnt. Diese Fähigkeit ist wie ein Muskel: Je öfter Du sie trainierst, desto leichter fällt sie Dir.  

Herz in der Hand – Verbindung auf Augenhöhe 

Alle fünf Schlüsselfaktoren entspringen einem Ort: Deinem Herzen. Es ist der Raum, in dem Empathie wachsen kann – ob im Job, in der Familie oder unter Freunden. Denn egal, welche Rolle Du gerade einnimmst – Du bleibst Mensch. Und das ist gut so. 

Manchmal ist es nicht einfach, Einfühlung zu zeigen. Vor allem, wenn es um Menschen geht, die Du gerade nicht besonders magst. Vielleicht spürst Du Widerstand oder harsche Gedanken – auch das ist Teil des Menschseins. Mach Dir keinen Stress. Fang klein an. Vielleicht wünschst Du innerlich jemandem erst mal nur «ein bisschen» Gutes. Oder Du versuchst es später nochmal. Du musst nicht perfekt sein. 

In unserem nächsten Blog-Artikel schauen wir uns ein paar Stolpersteine an, die beim empathischen Zuhören immer wieder vorkommen. Sie helfen Dir zu verstehen, weshalb es manchmal mit der Einfühlung nicht so klappt oder weshalb Du Dich unwohl fühlst, wenn Dir jemand auf diese Art und Weise zuhört. 

Möchtest Du mehr darüber erfahren, wie Du mit der Gewaltfreien Kommunikation GFK Deine Empathie-Ohren trainieren kannst und damit zu mehr Verbindung in Gesprächen beitragen kannst? Dann schaue Dir unser Kursangebot auf www.tcco.ch an oder lese unser Buch «Beziehungskompetenz im Beruf» von Vera Heim und Gabriele Lindemann.  

Quelle:
Beziehungskompetenz im Beruf, Vera Heim und Gabriele Lindemann
Illustration: Ina Liesefeld
Foto: Canva